Als Mutter/Vater eines schwerbehinderten Kindes ist man sicherlich viel empfindlicher, dünnhäutiger, ja paranoider in Bezug auf Äußerungen Dritter. Ich befürchte auch, dass nach diesem Post viele mich eher stumm angucken werden, um ja nichts Falsches zu sagen. Aber auch diese Gefahr nehme ich billigend in Kauf, nur um endlich das hier aufzuschreiben. Ich kann es selbst kaum glauben, aber ich muss es vor allem aufschreiben, weil es so witzig ist.
Misslungene Formulierungen nennt man bekanntlich Stilblüten. Eltern behinderter Kinder hören des öfteren Sätze, die sie sprachlos, wütend, weinend, lachend, kichernd machen. So etwas nenne ich immer "Blütenbomben". Die meisten von den Bomben sind gut gemeint, hinterlassen aber beim Hörer so ein Gesicht:
Meine persönliche Ausbeute ist ziemlich mager. Da ist z. B. eine Physiotherapeutin von mir - nach einer halben Stunde Unterhaltung über Lydias Geburt und Entwicklung fragt sie mich: "Aber Sie verstecken sie doch nicht, oder?"
Oder - wirklich mehrere Male erlebt - bei Frauenärzten: Nach ausgiebigen Lobpreisungen für unseren Mut, keine Pränataluntersuchungen zu machen, kommt der obligatorische Satz im verschwörerischen Ton: "Aber bei der zweiten Schwangerschaft machen Sie doch bestimmt eine Fruchtwasseruntersuchung, nich wahr?"
Oder (mein Lieblingsbeispiel): Ich komme in unseren Behindertenwerkstatt-Laden, um ein paar Geschenke zu kaufen. Dort bedienen meist ehrenamtlich ältere Damen, auch an diesem Tag ist eine da. Sie stürzt sich säuselnd auf Lydia und erzählt mir nebenbei, dass sie immer noch auf Enkelkinder wartet, die vermutlich nie komme werden, weil die Kinder so langsam aus dem Alter sind... Irgendwann kommt es natürlich zu dem obligatorischen Satz: "Es ist doch eine Freude, ein kerngesundes Kind zu haben!"
Ich räuspere mich kurz und erkläre ihr, dass Lydia im herkömmlichen Sinn ja doch nicht ganz gesund sei.
Die Dame fragt erschrocken, was sie denn habe.
Ich: "Das Down-Syndrom."
Die Dame schreit auf und hält sich den Mund zu, mich mit riesengroßen Augen ansehend.
"Oh mein Gott!", bricht aus ihr heraus, "wie furchtbar!"
Ich sehe mich etwas hilflos um, denn - wie gesagt - wir befinden uns in einem Laden mit lauter Sachen, die von geistig Behinderten hergestellt werden!
"Was für ein schrecklicher Schicksalsschlag!", ächzt die alte Dame und sieht mich immer noch an, als wäre ich der Geisterwelt entsprungen, "wie furchtbar muss es für Sie gewesen sein, meine Güte, wie schrecklich!" Begleitet von ihren Lamenti verlasse ich den Laden (weiß auch nicht mehr, wie) - und zuhause angekommen, wälze ich mich vor Lachen auf dem Boden, während ich die Geschichte Stefan erzähle. Ich erinnere mich immer noch sehr gern daran, weil sie so absurd und unglaublich klingt.
Ich komme auf das Thema, weil wir das Ganze vor kurzem im Forum besprochen haben. Und leider haben andere Eltern da weniger Glück als ich.
So meldet ein Paar sein Auto auf das behinderte Kind um, und die Dame im Amt erkundigt sich, was denn das Kind habe. Nach der Antwort "Down-Syndrom" meint sie kurz: "na, dann siend sie ja nicht zu beneiden!" Und als der Vater seinerseits nachfragt , wieso, meint sie trocken: "Ihnen ist wohl klar, dass sie sich um das Kind ihr Leben lang kümmern müssen?" Eine Tante im Zulassungsamt am Tresen! Ich bin immer noch geradezu traurig, nicht dabei gewesen zu sein. War ja doch eine schöne Herausforderung zur sprachlichen Kreativität (die Eltern haben die Aufgabe aber auch gut gemeistert).
Etwas weniger krass, aber auch eine Bombe, ist, wenn man als Mutter eines Kindes mit DS gesagt bekommt, man gehe damit so toll um, "wir hatten das von dir gar nicht erwartet!"
Meine Lieblingsbeispiele aus dritter Hand sind aber die folgenden (und damit herzliche Grüße an S.! :)):
"Man sieht ihnen aber gar nicht an, dass Sie ein Kind mit DS haben!"
Und - dada! - die Hammer-Blütenbombe und eine Perle, die ich jetzt bei jeder Party zum Besten gebe: Ein Satz, an eine frischgebackene Mutter mit einem Kind mit DS gerichtet:
"Immer, wenn es mir so richtig schlecht geht, denke ich an euch!
(Erstaunlich, wie viele Menschen ein Kommunikationstraining gebrauchen könnten... Gibt es so etwas überhaupt in Bezug auf "besondere Lebenssituationen"? Bestimmt doch, oder?)
Misslungene Formulierungen nennt man bekanntlich Stilblüten. Eltern behinderter Kinder hören des öfteren Sätze, die sie sprachlos, wütend, weinend, lachend, kichernd machen. So etwas nenne ich immer "Blütenbomben". Die meisten von den Bomben sind gut gemeint, hinterlassen aber beim Hörer so ein Gesicht:
Meine persönliche Ausbeute ist ziemlich mager. Da ist z. B. eine Physiotherapeutin von mir - nach einer halben Stunde Unterhaltung über Lydias Geburt und Entwicklung fragt sie mich: "Aber Sie verstecken sie doch nicht, oder?"
Oder - wirklich mehrere Male erlebt - bei Frauenärzten: Nach ausgiebigen Lobpreisungen für unseren Mut, keine Pränataluntersuchungen zu machen, kommt der obligatorische Satz im verschwörerischen Ton: "Aber bei der zweiten Schwangerschaft machen Sie doch bestimmt eine Fruchtwasseruntersuchung, nich wahr?"
Oder (mein Lieblingsbeispiel): Ich komme in unseren Behindertenwerkstatt-Laden, um ein paar Geschenke zu kaufen. Dort bedienen meist ehrenamtlich ältere Damen, auch an diesem Tag ist eine da. Sie stürzt sich säuselnd auf Lydia und erzählt mir nebenbei, dass sie immer noch auf Enkelkinder wartet, die vermutlich nie komme werden, weil die Kinder so langsam aus dem Alter sind... Irgendwann kommt es natürlich zu dem obligatorischen Satz: "Es ist doch eine Freude, ein kerngesundes Kind zu haben!"
Ich räuspere mich kurz und erkläre ihr, dass Lydia im herkömmlichen Sinn ja doch nicht ganz gesund sei.
Die Dame fragt erschrocken, was sie denn habe.
Ich: "Das Down-Syndrom."
Die Dame schreit auf und hält sich den Mund zu, mich mit riesengroßen Augen ansehend.
"Oh mein Gott!", bricht aus ihr heraus, "wie furchtbar!"
Ich sehe mich etwas hilflos um, denn - wie gesagt - wir befinden uns in einem Laden mit lauter Sachen, die von geistig Behinderten hergestellt werden!
"Was für ein schrecklicher Schicksalsschlag!", ächzt die alte Dame und sieht mich immer noch an, als wäre ich der Geisterwelt entsprungen, "wie furchtbar muss es für Sie gewesen sein, meine Güte, wie schrecklich!" Begleitet von ihren Lamenti verlasse ich den Laden (weiß auch nicht mehr, wie) - und zuhause angekommen, wälze ich mich vor Lachen auf dem Boden, während ich die Geschichte Stefan erzähle. Ich erinnere mich immer noch sehr gern daran, weil sie so absurd und unglaublich klingt.
Ich komme auf das Thema, weil wir das Ganze vor kurzem im Forum besprochen haben. Und leider haben andere Eltern da weniger Glück als ich.
So meldet ein Paar sein Auto auf das behinderte Kind um, und die Dame im Amt erkundigt sich, was denn das Kind habe. Nach der Antwort "Down-Syndrom" meint sie kurz: "na, dann siend sie ja nicht zu beneiden!" Und als der Vater seinerseits nachfragt , wieso, meint sie trocken: "Ihnen ist wohl klar, dass sie sich um das Kind ihr Leben lang kümmern müssen?" Eine Tante im Zulassungsamt am Tresen! Ich bin immer noch geradezu traurig, nicht dabei gewesen zu sein. War ja doch eine schöne Herausforderung zur sprachlichen Kreativität (die Eltern haben die Aufgabe aber auch gut gemeistert).
Etwas weniger krass, aber auch eine Bombe, ist, wenn man als Mutter eines Kindes mit DS gesagt bekommt, man gehe damit so toll um, "wir hatten das von dir gar nicht erwartet!"
Meine Lieblingsbeispiele aus dritter Hand sind aber die folgenden (und damit herzliche Grüße an S.! :)):
"Man sieht ihnen aber gar nicht an, dass Sie ein Kind mit DS haben!"
Und - dada! - die Hammer-Blütenbombe und eine Perle, die ich jetzt bei jeder Party zum Besten gebe: Ein Satz, an eine frischgebackene Mutter mit einem Kind mit DS gerichtet:
"Immer, wenn es mir so richtig schlecht geht, denke ich an euch!
(Erstaunlich, wie viele Menschen ein Kommunikationstraining gebrauchen könnten... Gibt es so etwas überhaupt in Bezug auf "besondere Lebenssituationen"? Bestimmt doch, oder?)
Kommentare
"Na, wenigstens sieht man ihm die Behinderung nicht an!" bekam ich zu hören, als ich "umsonst" in der S-Bahn mitfuhr und Roberts Behindertenausweis vorzeigte!
oder zum Robert-Papa "Da bist aber schon froh, dass nicht auch noch die Susanne behindert ist, oder? An wem liegt es denn?"
Ich glaub nicht, dass es so ein Kommunikationstraining gibt... eher umgekehrt. Robert kann ein Sozialtraining mitmachen bei dem er lernt sich sozial richtig zu verhalten. Und was sagt er: "Wie weiss ich denn das der Andi (Trainer) mir das Richtige lernen tut?"
Und weil es eh so kompliziert ist da hinzufahren, so aufwendig .. haben wir nach den beiden Schnupperstunden aufgehört...
Oft, ganz wirklich oft ist nämlich Roberts Sicht auf die Welt und die Meschen genau richtig!
Ich wünsche Euch einen schönen Sonntag
Elisabeth
Claudia.
Solange ich darüber ,lachen kann können sie mich nicht wirklich verletzen wenn auch über mir mal eine platzt.
LG
Martina
Danke fürs Verlinken, Claudia, das freut mich auch sehr!
Meine Tochter ist mittlerweile 14 Jahre alt und im Laufe der Jahre sind auch einige Bomben (positive wie negative) auf uns niedergeprasselt. Vielen Dank für diesen Bomben-Post!
Liebe Grüße, Michaela
Auf meiner Straßenbahnlinie fährt öfter eine junge Frau (ca. Anfang 20) mit, die als DS-Patientin erkennbar ist. Allein (wie denn auch sonst, gell? ;))
Vor Weihnachten saß ich dann mal mit den indischen Kollegen in der StraBa, als unsere Aufmerksamkeit auf zwei junge Männer (vermutlich ebensoalt wie die junge Frau) gelenkt wurde, die nebeneinander saßen und leicht verwaschen sprechend mit Handpuppen spielten. (Zugegebenermaßen fielen sie mir vor allem durch die Art des Spielens auf - welcher 22jährigen spielen mit Handpuppen _und_ beschränken sich dabei auf ein oder zwei Sätze?)
Ich hab irgendwann meinem leichten Schockzustand Raum gegeben und den indischen Kollegen zugeflüstert, daß der eine der jungen Männer wohl das Down-Syndrom habe. Ich frage mich heute noch, ob ich gedacht hab, daß die beiden Kollegen noch keine Down-Syndrom-Patienten gesehen hätten. Jedenfalls kam wie aus der Pistole geschossen von einem der Kollegen die Antwort "Ja, und der andere auch." Wozu noch gesagt werden muß, daß "der andere" eine relativ moderne Bartfrisur hatte und auch mit seiner tief in der Stirn sitzenden Mütze sowie einer dunkelumrandeten Brille optisch nicht auffällig war (der Freund schon eher, weil seine Gesichtszüge nicht versteckt waren).